Nachdem ich euch beim letzten Mal verschiedene Arten von Anfängen und meine persönlichen Favoriten vorgestellt habe, geht es heute konsequenterweise um die Frage: Was ist das perfekte Ende für (m)ein Buch?
Was soll’s? Bringen wir’s zu Ende!
Ein fesselnder Einstieg, eine spannende Story und schliesslich … ein mageres Ende. Das enttäuscht und lässt ziemlich unbefriedigt zurück. Dabei ist das Ende der letzte Eindruck, den wir beim Leser hinterlassen können – und daher sollten wir die Chance keinesfalls verpassen, zu überraschen, atemlos zu entlassen und (neu)gierig auf weitere Geschichten zu machen. Aber wie beim Anfang eines Buches ist das Problem: Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Das Paradebeispiel: Die Geister von Lesern und Schreibern scheiden sich vor allem bei der Frage „Wie happy muss das Ende tatsächlich sein?“. Diese Problematik, die ich gerne als das „Harry Potter-Dilemma“ betitle, würde an sich einen eigenen Fibel-Eintrag füllen, deshalb lasse ich erst mal aussen vor.
Wie gelingt das Hammer-Ende überhaupt? Eine Möglichkeit zum perfekten Ende wäre sicherlich, aus den „Fehlern“ anderer zu lernen und die schlechtesten Enden überhaupt zu sammeln. Das schien mir aber zu negativ und zu subjektiv, deshalb kommen hier meine persönlichen Tipps in Form einer positiven To-Do-Liste.
Tipps für das richtige Ende für jedes Buch:
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Sammle mögliche Enden und ordne sie in die Kategorien:
Was ist vorhersehbar, was unabdingbar? Erste Enden darfst du ohne Bedauern vergessen, zweitere auf keinen Fall!
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Hake inhaltliche Fragezeichen ab:
Was muss auf jeden Fall beantwortet werden? Welche Kämpfe, Konflikte, Konfrontationen braucht es? Was wird aufgelöst, welche Probleme stellen sich neu?
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Mach’s wie Dürrenmatt:
Was wäre das schlimmstmögliche Ende, das passieren könnte? Eine Idee? Gut! Dann setz noch einen drauf und dreh es einmal durch den Fleischwolf. Fertig ist dein Bad End, das atemlos zurücklässt.
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Aber Achtung: Denk an deine Leser und an dein Genre!
Richtest du ein Blutbad unter deinen Protas an, wirst du vermutlich 99,9999 % deiner Leser unglücklich stimmen oder einfach nur abstossen, weil sie unter „Glühende Herzen“ eine schnulzige Liebesklitsche erwartet haben. Schreibst du hingegen „Kreischende Sägen und brechende Glieder“ könntest du auf ein gewillteres Publikum für dein Gemetzel stossen.
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Sei konsequent:
Das Ende ist kein Freipass, die Regeln deiner Buchwelt über den Haufen zu werfen. Statt deinen Helden auf wundersame Weise zu retten oder ihn wie in einem Shonen-Manga mit einer neuen Superkraft auszustatten, suche lieber nach einem Lösungsweg, der in der Geschichte selbst schon angelegt ist. Das kann ein unscheinbares Detail sein, das du zu Beginn einbaust, oder ein konsequenter roter Faden, der am Ende – am besten anders als erwartet – aufgelöst wird.
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Finde das richtige Tempo:
Beim Finale darf es etwas rasanter zu und her gehen. Die Story verdichtet sich, wird meist gehetzter, handlungsbasierter und schiesst dem Ende entgegen. Im Schreibflow lässt man sich aber oft dazu verleiten, das Ende zu schnell hinzuklatschen. Je komplizierter deine Auflösung jedoch ist, desto mehr Zeit braucht der Leser, diese nachzuvollziehen.
Tipp: Die klassische, dem Finale nachgestellte Erklärszene à la Dumbledore ist schon ziemlich ausgelutscht und nimmt dem Ende viel seiner Spannung weg. Mit dem richtigen Tempo und Verschnaufpausen im Finale, um die Gedanken zu sammeln, braucht es die Szene auch nicht.
So verlierst du die Freude am Ende nicht
Mit der To-Do-Liste bist du jetzt bestens vorbereitet. Jetzt fehlt nur noch mein persönlicher Tipp, mit dem ich an jedes Ende herangehe: Halte dir mögliche Varianten offen und entscheide erst beim Schreiben, wohin es die Geschichte treiben soll. So behalte zumindest ich die Freude am Schreiben und kann auch spontan auf Geistesblitze eingehen. So manche Kurzgeschichte hat so schon eine andere Wendung genommen.