Die Geschichte vom Schattenfürsten und den Hundertelf
Setzt euch, setzt euch! Matrin erzählt euch eine Geschichte:
Vor vielen ungezählten Jahren regierte König Wilhelm, ein Urahn unseres heutigen Herrschers. Die Menschen unter seinem Schutz waren noch unerfahren. Sie gingen ihre ersten Schritte auf dieser Welt wagemutig, voller Stolz und mit einer alles verachtenden Haltung gegenüber dem, was sie sich nicht zu Eigen machen konnten. Wehrhafte Krieger wie König Wilhelm der Alte eroberten mit Heldentaten das Reich.
Aber in ihren Herzen gärte Neid und Furcht vor den Geschöpfen, die vor ihnen erschaffen worden waren. Es waren Wesen, deren eigenartige Fähigkeiten sich ihnen entzogen. Zwischen den Völkern gab es keine Gemeinsamkeiten, keine Hoffnung auf Frieden.
Tief in den Wäldern von Alnus wuchs derweil eine dunkle Präsenz heran, genährt durch Hass und Angst. Ihre Existenz gebar weitere Schatten, die hungrig nach Seelen umherstreiften und die Herrschaft der Menschen bedrohten. Der Menschenkönig war alt geworden, aber nicht weniger ruhmreich. Wilhelm versammelte seine besten Helden um sich und griff das Dunkle in den Wäldern an. Wo sich auf dem Schlachtfeld die Heere aller Völker trafen, ritt Wilhelm todesmutig hinein und steuerte auf den Sieg zu. Die Menschen triumphierten!
Doch da erstarkte auf einmal die Macht des Bösen. Wie aus dem Nichts verdunkelten schwarze Krähen den Himmel und brachten den Tod. König Wilhelm und die Seinen schlossen einen grausigen Pakt und tauschten so ihr Leben gegen das Schicksal anderer. Die Krähen verlangten das höchste Gut eines Königs: sein Volk.
Seither zahlen wir an den Schwarzen Tagen den Preis für unseren einstigen Hochmut. Hundertelf Menschen, je zehn aus den Gebieten der alten Helden und elf aus der Hauptstadt, werden auserwählt und den Krähen geopfert, damit die Dunkelheit unser Königreich verschont.
Das ist und bleibt Gesetz. Wehe dem, der dagegen aufbegehrt und unsere Sicherheit gefährdet.
Das ist die Geschichte, die sich die Menschen seither erzählen. Doch ist es auch die Wahrheit?